CONCOURSVELO 2019 BERICHT

Velo Velo !

Nach erfolgreicher Premiere im Vorjahr fand Ende März 2019 im beschaulichen Schweizer Ort Lausen der zweite internationale Schönheitswettbwerb für Fahrräder statt: CONCOURSVELO. Im historischen Industrieambiente der den Ort prägenden ehemaligen Ziegelei präsentierten sich knapp 90 Velos aller Art der Jury und einem interessierten Publikum. Dabei lagen zwischen dem dem ältesten Exponat von 1889 und dem neuestem Velo 130 Jahre Fahrradgeschichte!

Die achtköpfige Jury, ausgewählte Leute mit gutem Geschmack, hatte die Aufgabe das schönste Velo der Show zu küren. Dieser Hauptpreis „THE MOST BEATUTIFUL BICYCLE“, ging an ein italienisches 1969er Masi Rennvelo, gebaut von Faliero Masi und gefahren für das damalige italienische Ferretti Rennteam. Besitzer Marcel Wehrli aus Nassenwil in der Schweiz durfte sich über den Gewinn von CHF 1’000 in Bar freuen. Neben der reinen Schönheitskonkurrenz verteilte eine zusätzliche Fachjury weitere Auszeichnungen in verschiedenen Kategorien wie Rahmenbau, Montage, Lackierung, Tuning oder für authentische Oldtimer. Auch Publikum, Teilnehmer und der Veranstalter gaben ihr Votum für das Velo, dass sie sich selbst mit nach Hause nehmen würden. Alle Auszeichnungen sind anschaulich mit Bildern auf der Website von CONCOURSVELO dokumentiert.

Die Vielfalt der ausgestellten Fahrräder war beachtlich und die Qualität hoch. Fast alle Velos glänzten mit besonderen Details. Selbst einem kundigen Auge viel es dabei nicht leicht, innerhalb eines Tages, alle Velos gebührend einzuschätzen. Unter den historischen Fahrrädern hervorzuheben war ein sogenanntes Missionarsvelo aus deutscher Fabrikation von 1898 mit einem Rahmen aus Bambusrohren. Ein Kardanvelo von 1899 aus den USA war vertreten oder das französische Velocar: ein vierrädriges Luxus-Tretmobil mit zwei Sitzplätzen und zwei Tretkurbeln. Viel Beachtung fand das italienische Umberto Dei Bahnvelo von 1928 in bestem und gemäss Halter originalem Zustand, welches sein Besitzer aus Soresine, unweit von Mailand zur Show mitgebracht hatte. Bei den Vintage-Rennrädern stachen neben den Modellen der grossen Marken wie Poliaghi, Masi oder Stelbel besonders ein 1965er Specialissima Topmodell von Bianchi Italien ins Auge, dass sich nach über 50 Jahren im noch ungefahrenen Neuzustand präsentierte. Im Offroadbereich fanden sich ehemals nahezu unbezahlbare Einzelstücke aus den Pioniertagen wie Yeti C-26, Foes LTS 16, Specialized Carbon-Titan, Funk Titanium oder das 1989er Audi Quattro Titanium ein. Aber auch ein 2018er GT USA BMX-Velo, persönlich vom Chef und seinem Sohn gebaut, war zu bestaunen. Mit Marken wie Factor, Cipollini, BMC, Cherubim oder Samson waren einige der exklusivsten und raren Renn- und Bahnvelos der Jetztzeit vertreten. Zu erwähnen war das schnelle Transportvelo von Elian X Obst&Gemüse aus Basel mit implantiertem E-Antrieb und sehenswerter Zentralsteuerung. Auch die Eigenbau- und Custom-Szene war mit schönen Exponaten gut vertreten. Nicht zuletzt gab es noch ein paar fein gearbeitete Stadtvelos und französische Tourenräder.

Der dritte CONCOURSVELO ist auf den März 2020 angesetzt. Weil einmal präsentierte Teilnehmervelos nicht wieder zugelassen werden, sollte man durchaus gespannt auf diesen Anlass sein.

Stefan Schaefter, Veranstalter

 


 

Im Olymp der Fahrrad-Mechanik

Text des Kapitels „Im Olymp der Fahrradmechanik“ – aus der Broschüre „Ein Maestro, ein Fahrrad, ein Lied und elf Geschichten“ von Stephan Ost – über den CONCOURSVELO Gewinner 2019, Eckhart Werber in der Kategorie Montage:

 Schönheitswettbewerb für Velos
Eine über 100 Jahre alte Industriehalle und die Tonwerk-Studios in Lausen/Schweiz sind das Ziel am Sonntag, 31. März 2019, für Eck, seinen Schwager Stephan und ihre Räder Bella Ciao und Daccordi 50 Anni, auf dem Fahrradträger Stephans Audi Q3. Zum zweiten Mal findet dort eine Art Misswahl für Fahrräder statt. 100 Velos, wie Fahrräder in der Schweiz heißen, stellen sich zur Wahl. Für den Gewinner winken 1.000 Schweizer Franken in bar. „Keine Velomesse im üblichen Sinn“, erklärt der Veranstalter Stefan Schaefter in der Pressemitteilung, „eher schon eine Kunstausstellung und Happening für alle Velo-Fans aus der Schweiz und dem Ausland.

Schweizer Begrüßung
Eck und Stephan, beide nervös und angespannt, schieben vorsichtig ihre Räder in das Entree und werden, zu ihrer Überraschung, von einem Schweizer Offizier in Ausgehuniform und feschem Barett begrüßt. Freundlich überreicht er Eck, nach Überprüfung der Anmeldungsformulare, die beiden schwarz-weißen Brevets für unsere Fahrräder und stellt uns Stefan vor vom Tonwerk-Studios-Team. Mit weißen Sneakers, weißer Flatterhose, hellblauem weitem Sweater und einer sehr großen weißen Pelzmütze macht er ebenso wie der Soldat einen seltsamen Eindruck auf uns (Anm. Red.: es handelt sich um Gilbert Voirol, den Hallenchef des Events). Nach der obligaten, freundlichen Begrüßung mit „Salü“ und kurzem Small Talk führt Stefan uns zu unseren Plätzen in der 350 Quadratmeter großen Halle und bestimmt exakt die Aufstellungsposition unserer Fahrräder zwischen zwei Säulen.

Industriegebäude mit neuer Funktion
Die charmante Location, auf zwei Etagen mit insgesamt 700 Quadratmetern, lädt uns sofort mit ihrem schicken Ambiente zur Begutachtung der 100 Velos und die heimeligen Sitzgelegenheiten aus der Brockenstube zum zwanglosen Verweilen für Fachgespräche und den Gedankenaustausch mit der Velo-Szene ein. Der Vormittag gehört allein den Teilnehmern, den Juroren und Profi-Fotografen, die alle Teilnehmer mit Fahrrad (auch einzeln) vor gleichem Backstein-Hintergrund fotografieren. Gezeigt werden ausgesuchte Velos aller Gattungen: neu oder gebraucht, Tuning, Sammlerstücke, Serienmodelle, exklusiv oder von der Stange. Gemeinsam ist, dass alle Fahrräder einen hohen Anspruch an einen geschmackvollen Auftritt haben. Denn gewertet wird für das schönste Velo. Aussteller können Privatpersonen, Händler oder Hersteller sein. Werbung mit Prospekten, Flyern etc. ist verboten und es wird stilvolle (Fahrrad-)Bekleidung von den Teilnehmern erwartet.

Die Velo-Szene ist komplett
Ab 12 Uhr beginnen sich die Hallen mit Besucher zu füllen. Es ist ein buntes Völkchen von Radsportlern im Fahrraddress, viele Hipster, Outdoor-Freaks, ein Gentleman im Schottenkaro und Einstecktuch, ein italienisches Männer-Model im Doppelreiher, Krawatte Chino-Hose und Budapester Boots, ein uriger Typ in knielanger Lederhose und weitem, grobem, kragenlosem Baumwollhemd und natürlich viele Normalos. Es wird beobachtet, bewundert, inspiziert, bewertet, die Besitzer mit detaillierten Fragen herausgefordert und gefachsimpelt. Immer wieder bleiben Besucher, einzeln oder in Gruppen vor Bella Ciao und Daccordi 50 Anni stehen und begutachten die einzelnen Details aus unterschiedlicher Perspektive. Eck, stilsicher mit Knickerbocker, Hosenträger, Werber-Vintage-Longsleeve, Sergio-Fahrradschuhe, Schiebermütze und einem feschen blauen Halstuch als Farbtupfer, beantwortet unermüdlich die Fragen der Kollegen und Besucher, zeigt Bilder seiner Fahrradkollektion und verteilt Visitenkarten. Von Kollegen und Amateuren bekommt er zahlreiche Komplimente für seine Fahrrad-Schmuckstücke, die durch das schräg einfallende Licht optimal in Szene gesetzt werden.

Siegerehrung
Um 15 Uhr ruft Stefan mit dem Megafon alle Anwesenden zur Siegerehrung für das „Most beautiful Bicycle“ zur Mitte der Halle. Ohne viel Tamtam werden in rascher Folge die Gewinner der einzelnen Kategorien aufgerufen, beglückwünscht und ihnen die Urkunden übergeben:

Zum schönsten Fahrrad 2019 wählt die Jury das Original-Masi-Fahrrad mit seinem Besitzer Marcel Wehrli. Eck und sein Daccordi 50 Anni gewinnen den ersten Preis in der Kategorie Montage, quasi in der Königsklasse der Fahrrad-Mechanik. Einige Teilnehmer gewinnen sogar in zwei Kategorien. Anschließend legen die Gewinner ihre Urkunden neben die schwarz-weißen Info-Poster, posieren stolz neben ihrem Champion und nehmen die Glückwünsche der vielen neidlos anerkennenden Kollegen entgegen.

Ein perfekter Tag im Fahrradsport-Olymp
An diesem Tag passt einfach alles: Wetter, Transport, Location, Konzept der Veranstalter, Organisation, Catering, Publikum (kein Fahrrad wird aus Versehen umgeworfen) und die ruhige, besondere Atmosphäre in diesem „Olymp der Fahrrad-Mechanik“. Für Eck ist dieser Tag sicher einer der wichtigsten in seinem Berufsleben und eine Bestätigung, dass er „in seinem Leben manches richtig gemacht hat“, wie er in seiner bescheidenen Art selber stoisch feststellt.

 

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